Freitag, 25. Juli 2008

Route 17: Von St. Goarshausen nach Dörscheid

Datum: 25. Juli 2008
Teilnehmer: Norbert, Ute
Strecke: St. Goarshausen - Heide - Loreley - Dörscheid(Rheinsteig)
Länge: 17,9 km
Höhenmeter: 1385 m
Karte: Rheinsteig, 1:50000, Landesamt für Vermessung und Geoinformation Rheinland-Pfalz

Übernachtung:
Pension Sieben
Rheinstr. 5
56348 Dörscheid
Tel.: 06774-1706
Kosten: 48€ für 2 Personen incl. Frühstück
Bewertung: ****

Nach der ersten Übernachtung auf unserer Tour hatten wir beim Frühstück, mit Blick auf den Rhein, eine nette Unterhaltung mit einer Familie aus Norwegen. Schon seltsam, dass solch kultur-historische Plätze in Deutschland wie die Loreley eine größere Anziehungskraft auf Besucher aus dem sonstigen Europa haben, als auf die deutsche Bevölkerung. Ich denke, dass es eine Marketing-Aufgabe des Landes Rheinland-Pfalz sein könnte, dem mit einem attraktiven Konzept entgegen zu steuern.

Ute benötigt nach dem Frühstück noch ein wenig Zeit für sich, so dass ich die Altstadt von St. Goarshausen mir noch ein wenig anschauen konnte. Beim Begutachten diverser Hausfassaden fiel mir eine hebräische Inschrift auf. Beim Befragen der netten Buchhändlerin traf ich dann gleich auf den vorbeifahrenden Bürgermeister, der sofort sein Auto stehen ließ und mir einiges über die Geschichte der Stadt erzählte. Die hebräische Schrifttafel konnte er leider nicht näher erklären, wusste aber, dass in den letzten Jahrhunderten Juden in St. Goarshausen gelebt hatten.

Von St. Goarshausen kraxelten wir dann am Secthaus Delicat vorbei 220m steil den Berg hinauf zum Dreiburgenblick Richtung Loreley. Von hier aus genießt man den wunderbaren Blick auf die Burgen Maus und Katz und die Burg Rheinfels auf der anderen Rheinseite bei St. Goar. An der Burg Katz vorbei geht es in den Stadtteil Heide. Hier betrachten wir an diesem schönen Julitag einen Bildhauer beim Bearbeitern seiner Skulpturen. Hier hätte Ute noch länger verweilen können.

Von Heide aus haben wir die Lorely schon fast im Blick. Im Loreleyareal starten wir mit einem Besuch im Besucherzentrum Loreley. Diese Ausstellung ist recht vielfältig und zu empfehlen. Besonders interessant fanden wir die Multimedia-Türme mit der musikalischen Hommage unterschiedlichen Komponisten an dieses geschichtsträchtige Fleckchen Erde in Deutschland.

Weiterhin sehr spannend ist dort die Dokumentation der Floßschifffahrt, die noch bis zum Anfang des 20ten Jahrhunderts ausgeführt wurde. Auf riesigen Flößen mit bis zu mehren hundert Metern Längen und bis zu 500 Mann Besatzung wurden meist drei, gelegentlich sogar fünf Lagen von Baumstämmen eingebunden. Die hierbei zu bewältigenden Schwierigkeiten begannen bei der Zusammenstellung von Holzqualitäten - das begehrte Eichenholz allein war nicht schwimmfähig und musste mit Tannenholz gemischt werden! - und endeten mit dem Problem der Steuerung, wozu eine Besatzung von rund 500 Mann erforderlich war. Selbst aus heutiger Sicht erscheint die technische Durchführung mit vergleichsweise bescheidenen Hilfsmitteln kaum vorstellbar. Getrieben wurde dieses Gewerbe durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Niederlande am Ende des 17. Jahrhunderts, der seinen Ausdruck in enormem Holzbedarf fand. Bodenfundamente, Deichbauten, Mühlen- und Schiffsbau waren die wichtigsten Bereiche, deren Bedarf durch die nähergelegenen Holzmärkte bald nicht mehr gedeckt werden konnte.

Vom Besucherzentrum marschierten wir dann nach das kurze Stück Richtung Loreley und fanden zu meinem Erschrecken folgende Mahntafeln:


und fünf Meter darunter die folgende:



Diese Mahntafeln fand ich dermaßen unpassend, dass ich an diverse politische Verantwortliche, unter anderem dem Landrat dieser Region, folgenden Brief verfasst habe:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin letzte Woche von Kestert nach Rüdesheim auf dem Rheinsteig gewandert und habe mich an der Loreley über zwei sehr grenzwertige Mahntafeln geärgert. Diese sind direkt an der Loreley unterhalb der Aussichtsplattform angebracht. Alle Besucher die vom Loreley Besucherzentrum zur Aussichtplattform gehen, kommen direkt an diesen vorbei.

Auf der ersten Tafel, dessen Foto ich der Mail beigefügt habe, ist folgende Eintrag zu lesen. "Unseren Opfern zum Gedenken 1914/18 1933/45". Diese Tafel ist soweit OK, fraglich bleibt aber, warum an einem zentralen Platz des "Weltkulturerbes" Oberes Mittelrheintal nicht auch der Menschen anderer Länder gedacht wird, die Opfer des Nazi-Terrorregimes gewesen sind.

Dramatischer ist aber die Tafel 5 Meter unterhalb der obigen. Auch hier das Foto anbei. Auf dieser ist folgendes zu lesen: "Wanderer entweihe nicht diese heilige Stätte. Deutsche Helden zu ehren haben wir sie erwählt". Diese in Stein gehauene Tafel bezieht sich direkt auf die obige Tafel und beantwortet damit die Frage, welche Helden wohl gemeint sind.

Ich halte das für unerträglich.

Welches Bild sollen 60 Jahre nach der Terrorherrschaft des Naziregimes die Besucher aus Israel, den Niederlanden, England, Russland etc. an der Loreley von Deutschland erhalten?

Mit welcher Berechtigung werden hier die Akteure der Nazi-Schreckensherrschaft als "Helden" bezeichnet?

Ich möchte Sie dringend bitten diese Tafel zu überprüfen. Die Loreley als zentraler Bestandteil des "Weltkulturerbes Oberes Mittelrheintal" sollte für Völkerverständigung stehen und nicht als Wallfahrtsstätte für Ewiggestrige dienen.
Sehr erfreulich fand ich im Nachhinein, dass mir alle Verantwortlichen geantwortet haben. Mit den Erklärungen war ich allerdings nicht umfassend zufrieden. Der Tenor war folgender:
  • Mit den "Helden" wären die deutschen Wiederstandskämpfer gegen die Nazi-Diktatur gemeint.
  • Es handelt sich um eine historische Mahntafel, die man heute sicherlich anders formulieren würde
Die unter Punkt 1 aufgeführte Interpretation finde ich sehr weit uminterpretiert. Mein Eindruck war, dass sich die politisch Verantwortlichen nur sehr ungern mit den lokalen Verbänden anlegen wollten.

Der Ärger über unpassenden Mahntafeln war dank der beeindruckenden Natur schnell wieder vergessen. Trotzdem blieb mein Vorsatz den oben genannten Brief an die Verantwortlichen zu senden.

Kurz hinter der Loreley haben wir auf der Spitznack folgendes Photo aufgenommen. Wie auf dem Photo zu sehen ist, eine wirklich bizarre Felsenwelt. Von diesem Aussichtspunkt hatte ich einen guten Blick auf das tief eingeschnittene , stark gewundene und enge Rheintal unterhalb der Loreley. In diesem ragen zusätzlich nach Felsen aus dem Wasser. Dies macht die Rheinschifffahrt zu einem Abenteuer. Es ist geradezu unglaublich, wie es die Kapitäne der großen Frachschiffe schaffen sauber durch diese Stelle zu navigieren. Ich denke, dass bei nicht wenigen Steuerleuten an dieser Stelle der Blutdruck erheblich steigen wird. Ein weiteres Problem ist, dass weder eine ausreichende Sicht noch eine direkte UKW-Sprechfunkverbindung von Schiff zu Schiff möglich ist. Aus diesen Grunde wurden zur Regelung des Schiffsverkehrs an diesen Engstellen eine Wahrschau (aus dem niederländischen waarschouwen = warnen) eingerichtet. Je nach Art der beteiligten Fahrzeuge muss eine Begegnung in den Kurven vermieden werden. Dabei hat wegen der Strömung nur die Bergfahrt die Möglichkeit zu warten. Dazu muss sie aber wissen, ob und welche Schiffe ihr zu Tal entgegenkommen.


Weiterer sehenswerter Blick auf Spitznack.

Die Hitze an diesem Tag war nicht zu unterschätzen. Der Felsenweg hinter Rossstein gehörts zu den anstrengensten Aufstiegen auf dem Rheinsteig. Nachdem wir das oberste Felsenplateau erklettert hatten und dort in der flimmernden Sommerhitz in einer Hütte Schatten fanden, konnten wir das phantastische Panorama genießen. Direkt vor uns Oberwesel mit der majestätischen Schönburg. Wir befanden uns auf der Kante, also auf der Ebene oberhalb des Rheintals und es war nicht mehr weit nach Dörscheid. Wir hatten die Schwüle des Tals hinter uns gelassen und nun blies uns ein heißer trockener Wind entgegen. Der Name Dörscheid ist übrigens sehr sprechend. Die Felder von der Rheinkante bis nach Dörscheid waren goldgelb vertrocknet. Es hatte an diesem frühen Abend im Juli was von Südeuropa, flimmernde Hitze auf verdörrten Feldern.

In Dörscheid selber hatten wir recht schnell unsere Pension gefunden. Die Vermieterin betrachtete uns ein wenig mitfühlend bezüglich unseres überhitzten Zustands. Nachdem wir uns in dieser sehr netten Pension geduscht hatten, erholten wir uns ein wenig im Schatten des Vorgartens und lernten relativ schnell Jasmin, das (Fast-)Enkelkind der Vermieterin, kennen. Die süße Kleine war so nett und offen, dass wir sie zum Essen ins Restaurant mitgenommen haben und viel Spaß mit ihr hatten. Das folgende Photo, von der Terrasse des Restaurants beim Abendessen photographiert, gibt die wunderbare Stimmung an diesem Abend leider nicht optimal wieder. Die durch die Abendsonne weich gezeichnete Landschaft vor uns, die das Rheintal (kurz hinter den Feldern) nur vermuten lässt und die fröhliche Stimmung der Gäste und des Personals sind mir heute noch in Erinnerung und verbinden diesen Abend mit meiner Vorstellung von einem perfekten Sommertag.



Auf dem Nachhauseweg brachten wir Jasmin zu ihren Eltern und konnten einer Einladung dieser nicht widersprechen. Jasmins Eltern kommen aus Indien und Jasmins Vater ist der Bruder des Stiefsohns unserer Vermieter. Der Stiefsohn hat in der Schreinerwerkstatt des Vermieters gearbeitet und sich in dieser Zeit in die Tochter des Vermieters verliebt. Der Vermieter selber kommt, soweit ich mich erinnern kann ursprünglich aus dem Berliner Region, hat aber zum Ende des 2. Weltkriegs in der Gegend eine alte Mühle restauriert und sich in die Vermieterin verliebt. Schöne Beispiele, wie Kriege, Not aber auch Liebe und Sehsucht die Menschen durch die Welt reisen und sich an neuen Plätzen niederlassen lässt. Das ist gut so und dieser Vielfalt ist bereichernd.

Jasmin und Dunja

Beim fröhlichen Zusammensein mit Jasmins Eltern erfuhren wir dann auch von dem dunklen Schatten der auf der Familie Sieben lastet. Die Familie unserer Vermieter verlor vor ca. 2 Jahren ihr ältestes Enkelkind bei einem tragischen Verkehrsunfall. Eine junge Frau, die gerade ihr Abitur absolviert hatte und in der Blüte ihres Lebens stand, wollte nur kurz ihren Freund nach Hause fahren und gleich wieder zurückkommen. Eine halbe Stunde später, erreichte die Familie ein Besuch der Polizei. Vollkommen unverschuldet ist ein entgegenkommendes Auto auf die Gegenspur geraten und mit dem Wagen der Tochter frontal kollidiert.

Die Trauer und Hilflosigkeit der Familie auch noch 2 Jahr nach der Tragödie hat uns stark berührt. Jeder der selber Kinder hat, kann vielleicht auch nur erahnen, dass solch eine Erfahrung nur sehr, sehr schwer zu verarbeiten ist. Ich denke noch oft an die Familie Sieben und mein Mitgefühl ist mit ihnen.

Keine Kommentare: